Nonchalance und Designertaschen
Jana Schibli Mode
In «Priscilla» spielt er Elvis Presley, neben der Leinwand wird er für seine Looks gefeiert. Der Schauspieler mag zwar Handtaschen, ist aber bei weitem kein extrovertierter Dandy.
Ist das etwa eine Taschenuhr? Es wurde einem verziehen, wenn man zweimal und leicht ungläubig auf den jungen Mann schaute, der da auf der venezianischen Gondel in seine Jackentasche griff und eine silberne Uhr an einer filigranen Kette hervornahm. Der junge Mann war der 26-jährige Schauspieler Jacob Elordi, der graue Anzug war von Bottega Veneta. Und die Taschenuhr war höchstwahrscheinlich die, die er einige Monate später in einem «GQ-»Interview erwähnte: ein Geschenk von seiner Mutter, eingestellt auf die Zeitzone seiner Heimat Australien.
Die Uhr verschwand sogleich wieder in der Jackentasche. Doch der kleine Moment vom diesjährigen Filmfestival in Venedig wurde im Internet sofort fleissig geteilt, bewundert und kommentiert.
Kein Modefan, keine Designermuse
So geht das mit dem Stilphänomen Jacob Elordi. Der Schauspieler, der zurzeit in «Priscilla» als Elvis Presley im Kino zu sehen ist, ist kein ausgesprochener Modefan wie A$AP Rocky und keine Designer-Muse wie Timothée Chalamet. Er spricht in Interviews selten über seine Garderobe. In der 2019 angelaufenen Serie «Euphoria», die als sein Durchbruch gefeiert wurde, ging seine Figur Nate Jacobs in der Glitzerwolke seiner Mitprotagonistinnen modisch regelrecht unter.
Trotzdem landet er gerade auf zahlreichen Best-Dressed-Listen und wird als zeitgenössisches männliches Stilvorbild gefeiert. Männerblogs sezieren jeden seiner Looks in erschreckendem Detail; Tiktoker stellen sie nach.
Bücher in der Cargo-Pants
Ein Adjektiv kommt dabei besonders oft vor: das ewige und vage «cool». Dass Elordi 1,97 Meter gross ist und dazu noch Australier, mag mitschuldig sein daran. Nur kann man das nicht nachkaufen. Also widmet man sich dem buttergelben Prada-Cardigan zu den weiten Jeans. Oder der armeegrünen Cargohose, in deren grossen Taschen Elordi zur grossen Freude der retroliebenden Internetgemeinschaft einmal gut sichtbar nichts anderes als Bücher verstaute.
Ein Hauch Old Hollywood
Nicht ganz so buchstäblich sind die modischen Reverenzen an die männlichen Grössen des alten Hollywood, die der Schauspieler und seine Stylistinnen, die Schwestern Wendi Ferreira and Nicole DeJulio, besonders auf roten Teppichen und in Talkshows nutzen. Bei seinem Auftritt in der «Tonight Show» trug Elordi eine schwarze Hose mit hohem Bund und ein locker fallendes Hemd, dessen nicht bis ganz oben geschlossene Knöpfe den Blick auf ein Marlon-Brando-mässiges Unterhemd freiliessen. Bei einer «GQ»-Party reichte der spitze Kragen eines zitronengelben Hemdes, um seinem Nadelstreifenanzug einen Hauch der siebziger Jahre zu verleihen.
Besonders die im Laufe der Zeit weiter gewordenen Schnitte seiner Kleider schaffen es, dass Elordi nicht einmal im sehr zugeknöpften Dreiteiler mit Krawatte wirklich zugeknöpft aussieht. Das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Aber es ist einfach genug, dass es zur Nachahmung einlädt.
Accessoires, Accessoires, Accessoires
Wirklich interessant wird es aber bei den Accessoires, die sich nicht auf Bücher und Taschenuhren beschränken. Handtaschen trägt Elordi ohne eine Spur der «das ist die Tasche meiner Freundin»-Unbeholfenheit, die viele Männer plagt. Das gilt für bunte Speedys von Louis Vuitton genauso wie die geflochtene Andiamo Bag von Bottega Veneta, die seine beneidenswerte Sammlung von Chanel bis Saint Laurent ergänzen.
jacob elordi's bag collection needs to be studied pic.twitter.com/hMPX4XabNM
— ☆ (@saschaoffduty) October 28, 2023
In einem Interview darauf angesprochen, erklärte Elordi schlicht, ihm werde nun mal schnell langweilig und er müsse deswegen «Dinge aus jeder Kategorie» mit sich herumtragen. Ausserdem habe er noch nie eine Tasche gekauft, er erhalte sie geschenkt. Das tönt zwar nach purem Pragmatismus statt modischer Romantik, sieht aber nicht danach aus.
Kreolen und Jeans
Vielleicht deswegen, weil Elordi auch abgesehen davon nicht mit Accessoires geizt. Sein blaues Cap mit der Aufschrift «James Dean Death Cult», 145 Dollar, ist längst ausverkauft. Seine Sonnenbrillen, gerne von Jacques Marie Mage oder Ray Ban, sind ähnlich retro-orientiert. Und der Schmuck erst: kleine Kreolen an den Ohren, dünne Goldketten um Handgelenke und Hals, Siegelringe am kleinen Finger. Dazu gibt's Jeans und eine grosse Portion Nonchalance.
Mit seinen Looks umgeht Elordi geschickt die Kardinalsünde der Mainstream-Männermode: ja nicht zu angestrengt modisch aussehen.
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